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Macht das alles noch Sinn?

Deutschlands bekanntester Astrophysiker Harald Lesch geht der Frage nach dem Sinn des Lebens auf den Grund. Seine Antwort: „Wir müssen uns nur auf die Suche begeben, das ist der Sinn des Lebens.“ Der Verdacht liegt nahe, dass das nicht ganz ausreicht.


Als Gegenbeispiel eines sinnerfüllten Lebens sieht Harald Lesch die Geschichte von Sisyphos. Sie ist Teil einer Doku des ZDF in dem Format „Terra X“ über die großen Fragen der Menschheit. Sisyphos zweifelte in der Antike die Macht der Götter an und fortan war er dazu verdammt, jeden Tag einen Felsbrocken auf einen Berg zu rollen, der am Gipfel jedoch wieder herunterrollt. Das war seine tägliche Aufgabe und jeden Tag scheiterte er daran. Die höchste Strafe der Götter ist ein Leben in Sinnlosigkeit. Der Philosoph Albert Camus meinte dazu: Die Lösung für Sisyphos läge darin, das Leben in seiner Sinnlosigkeit anzunehmen. Wir brauchen keinen Sinn, wir wollen einfach nur glücklich sein.

Wer Sinn empfindet, der führt ein glücklicheres Leben und lebt länger, sagen Statistiken. Hier sagt Lesch am Ende der Doku: „Die Frage nach dem Sinn des Lebens hat viele Antworten, wir entscheiden selbst, welchen Sinn wir unserem Leben geben wollen und auch wenn wir ihn noch nicht gefunden haben – wir müssen uns nur auf die Suche begeben, das ist der Sinn des Lebens.“

Wozu das Ganze?

Wer sich auf die Suche begibt, hat in der Regel Gründe, warum sich dieses Unterfangen lohnen sollte. Wenn sich Goldsucher in Texas auf die Suche machen, haben sie in der Regel Anhaltspunkte, dass es in Texas Goldvorkommen geben könnte. Wenn sich Taucher auf die Suche nach versunkenen Schätzen machen, haben sie in der Regel Karten und Hinweise, wo sie suchen müssten, sonst würden sie nur im Trüben fischen. Wer sich auf die Sinnsuche macht, sollte zumindest Anhaltspunkte haben für die Möglichkeit, dass das Leben einen Sinn haben könnte.

Einfach nur die Sinnlosigkeit zu akzeptieren – das ist irgendwie unbefriedigend. Sisyphos ist von den Göttern dazu verdammt worden, den Fels jeden Tag aufs Neue hochzurollen. Das ist seine Aufgabe, seine Bestimmung. Diese zu erfüllen ist nun sein Sinn des Lebens. Wenn jemand käme und ihm den Fels wegnähme, weil die Tätigkeit objektiv sinnlos ist, würde Sisyphos die Erfüllung seiner Aufgabe genommen und damit den Sinn seines von den Göttern aufgegebenen Lebens.

Sinnvolles Leben?

Wenn es keine Gründe dafür gäbe, dass die Sinnsuche eines Tages erfolgreich sein könnte, wäre die Suche nach dem Sinn des Lebens von vornherein vergeblich. Dann wäre es äußerst fraglich, wie einen Menschen die Suche nach dem Lebenssinn in irgendeiner Weise glücklich machen würde geschweige denn länger leben ließe, wie es Studien und Harald Lesch nahelegen.

Auf die Frage, was dem Leben Sinn geben könnte, antwortet Harald Lesch: „Wir entscheiden selbst.“ Wenn es allein an unserer subjektiven Entscheidung läge, Sinn unserem Leben zu geben, dann wäre – drastisches Beispiel – Rudolf Höß, dem im Holocaust die Lösung der Judenfrage aufgetragen war, der glücklichste Mensch, wenn er die Judenfrage tatsächlich geschafft hätte zu lösen: der Tod von Millionen von Jüdinnen und Juden. Höß wäre mit der Sinnhaftigkeit seines Leben genauso zufrieden wie ein Klinikseelsorger, der Menschen in ihrem Leid begleitet, oder der Wissenschaftler, der die Theorie von Allem gefunden hat.

Also scheint „Wir entscheiden selbst“ rein subjektiv verstanden nicht die ganze Antwort zu sein. Alternativ sagen uns objektive Erkenntnisse, was unser Ziel des Lebens sein könnte: Nächstenliebe, Erkenntnis, Gutes tun – Dinge, die an sich wertvoll sind. Diesen Sinn können wir entdecken.

Die Antwort

Die Lösung auf die Frage des Sinn des Lebens: Die Mischung machts. Es gibt Ziele, die objektiv nicht zu einem erfüllten Leben führen (Massenvernichtung), und Ziele, die vielleicht nur für uns selbst Sinn machen (Malen, Schreiben, Geige spielen, Gleichungen lösen). Vielleicht macht folgender Zwei-Punkte-Plan Sinn: (1) Uns objektiv Sinngebendes anzueignen und anzunehmen und (2) subjektiv Sinngebendes für uns zu erfinden, das nicht objektiv sinngebenden Maßstäben widerspricht. So haben wir vielleicht eine begründete Hoffnung, dass unsere Sinnsuche erfolgreich sein könnte.

Kurz:

  • Der Weg ist nicht immer das Ziel (Kreisverkehr, Abgrund, Gipfel)
  • rein subjektive Ziele sind nicht immer Sinn des Lebens (Massenvernichtung)
  • rein objektive Ziele sind ohne Bedeutung für einen selbst nicht zielführend
  • die Mischung machts: Objektive Ziele entdecken und sich aneignen, subjektive Ziele erfinden

Der Artikel erschien zunächst auf idowa.de