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Keine Ahnung vom Zentrum

Das Zentrum unserer Milchstraße hüllt sich in Dunkel. Dafür, dass der Mensch sich über viele Jahrhunderte in den Mittelpunkt des Universums gestellt hat, hat er ziemlich wenig Ahnung davon. Das macht es auch spannend.

Was es schwierig macht, das Innerste der Heimatgalaxie der Menschen zu beobachten, sind die vielen Sterne, Gaswolken und Staubschleier. Dazu kommt noch, dass neben den ganzen Sternen ein Schwarzes Loch da ist, das sowieso schlecht zu untersuchen ist. In letzter Zeit haben Forscher jedoch große Fortschritte gemacht, weshalb das Wissenschaftsmagazin Scinexx das Zentrum unserer Galaxie auch zum Thema der Woche gemacht hat.

Kosmische Archäologie

Wenn Archäologen eine Stadt untersuchen, können sie einzelne Gebäude ganz gut bestimmen und ihnen ein Alter zuweisen, sie legen Schichten frei, identifizieren Materialien und Baustile. Manche Schichten haben Besonderheiten, die auf bestimmte Ereignisse hinweisen. Was im Stadtkern ist, gehört meist zu den älteren Bestandteilen einer Siedlung, was drumherum gebaut ist, ist meist jünger.

Ähnlich ist es auch beim Aufbau einer Galaxie. Der Stadtkern sind die Sterne, die einzelne Phasen durchlaufen. Je kürzer eine Phase, desto genauer kann das Alter eines Sterns bestimmt werden. Wenn ein Stern hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium besteht, ist er vermutlich schon älter. Enthält der Stern mehr Metalle, hat er schon Materialien von älteren Sternen aufgenommen und wird jünger geschätzt.

Dann gibt es Sterne, die am Ort ihrer Entstehung bleiben und andere, die sich auf die Reise machen.

Das Dunkel zieht viel Licht an

Etwa 26.000 Lichtjahre von unserer Sonne entfernt befindet sich das Zentrum unserer Galaxie. Durch optische Teleskope ist das kaum zu beobachten, mit Radio- und Infrarotteleskopen sowie Satelliten können Forscher die Nebelwolken jedoch gut durchdringen. In der Mitte ist ein großes Schwarzes Loch, das über vier Millionen mal so anziehend ist wie die Sonne. Viele Sterne rasen um dieses Loch herum und ihre große Geschwindigkeit verhindert, dass sie einfach vom Schwarzen Loch verschluckt werden.

Kosmische Archäologen versuchen nun, dieses Phänomen zu untersuchen: „Die Entstehungsgeschichte unserer Heimatgalaxie zu entschlüsseln und vor allem ihre ersten Phasen, ist schon seit Jahrzehnten ein zentrales Ziel der galaktischen Archäologie“, erklären Hans-Walter Rix vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und seine Kollegen und Kolleginnen. Sie kommen zu dem Schluss, dass sich mehrere „Dörfer“ vor etwa 13 Milliarden Jahren zusammengetan und den Kern der Milchstraße gebildet haben.

Mithilfe von Künstlicher Intelligenz werten die Forscher in Heidelberg riesige Datenmengen von über 220 Millionen astronomischen Objekten aus. Einige von den Sternen, die um das Zentrum rasen, scheinen allem Anschein nach noch zu den ursprünglichen Dorfbewohnern zu gehören, bevor der große Zuzug anderer Sterne gekommen ist. Viele von ihnen haben eine chemische Zusammensetzung, die vermutlich von dem ursprünglichen Material, das in der Galaxie zu finden war, stammt.

Sterne mit Status „Zugroaste“

Wie in jeder Stadt oder größerem Dorf gibt es die Zugroasten, die erst später hinzugekommen sind. Meist werden diese ja vom Dorfbewohnerkern eher ignoriert. Die Dorfältesten schirmen sich ab und bilden einen eigenen Kernsternhaufen, der sich ganz in der Nähe des Schwarzen Loches versammelt. Aber auch dieser Kernsternhaufen hat eine kleine Gruppe, die sich nicht wie die anderen Dorfältesten verhält. „Im galaktischen Norden ist der Anteil von Sternen mit geringerer Metallizität als die Sonne mehr als doppelt so hoch wie im Süden“, berichten die Astronomen. Im nördlichen Teil des galaktischen Zentrums sind demnach mehr ältere Sterne präsent als im Süden. Die Jugend zieht es nach Süden.

Diese Fremdlinge könnten von außen kommen, auch vielleicht von einem Kernsternhaufen einer Zwerggalaxie, die von der Milchstraße aufgesogen worden ist. Das ist, wie wenn Mitterast derart von Straubing annektiert wird, dass es von nun an nur noch unter dem Namen Straubing Süd bekannt ist.

Doch aus dem Verhalten von diesen Zugroasten und eingemeindeten Sternen lässt sich einiges ablesen, um dem Zentrum unserer Heimatgalaxie auf die Spur zu kommen. Ein Grund mehr, den Zugroasten etwas Wohlwollen entgegen zu bringen.

Kurz und bündig

  • die Informationen über das Zentrum unserer Heimatgalaxie sind noch sehr jung
  • mit Radio- und Infrarot Teleskopen und Satelliten bekommen die Forscher viele Daten, die KI auswertet
  • Um ein Schwarzes Loch kreist ein großer Kernsternhaufen – die Dorfältesten in der Milchstraße

Der Artikel erschien zunächst auf idowa.de