Wie wir klüger werden
Wenn dumme Behauptungen dazu führen, dass Menschen Angst haben, lohnt sich ein Blick darauf, wie Menschen überhaupt klüger werden. Dazu muss nicht jeder ein Wissenschaftler sein. Was Träume und Fußball mit Klugheit zu tun haben.
Wie der Mensch klüger wird, ist eigentlich ganz einfach. Er lernt irgendwie und irgendwo etwas dazu. Rückblickend wird er dann sagen, dass er nun mehr weiß als gestern. Gestern war er vielleicht noch einem Irrtum unterlegen. Die Einsicht, man habe sich geirrt, ist deshalb der beste Beweis dafür, dass man klüger geworden ist. Der Satz „Ich habe mich geirrt“ sollte daher sehr oft gesagt werden. In der Forschungsgeschichte ist das Alltag. Der Astronom Nikolaus Kopernikus berechnet Planetenbahnen und kommt irgendwann zu dem Schluss: „Wir, die Forscher, haben uns geirrt. Die Erde ist gar nicht das Zentrum des Universums.“ Für den Forscher Isaac Newton waren Raum und Zeit noch feststehende Einheiten. Der Physiker Albert Einstein sagte: „Moment, wir haben uns geirrt, Raum und Zeit sind relativ.“ So funktioniert Fortschritt und das Klügerwerden. Doch nicht immer muss man ein Genie dafür sein.
Durch Schlaf und Überprüfung
Nicht jedem fällt eine neue Erkenntnis so leicht zu wie dem deutschen Chemiker Friedrich August Kekulé im 19. Jahrhundert. Dieser forschte an der Struktur von Kohlenstoff. Die Formel für Benzol war ein großes Rätsel.
In einer Junggesellenbude im belgischen Gent drehte Kekulé seinen Stuhl weg vom Schreibtisch Richtung Kaminfeuer und versank im Halbschlaf. Und es „gaukelten die Atome vor meinem Auge. Und siehe, was war das? Eine der Schlangen erfasste den eigenen Schwanz und höhnisch wirbelte das Gebilde vor meinen Augen.“ Nachdem er diese erträumte Struktur zu Papier brachte, war die chemische Formel der Benzolringe geboren.
Sein ganzes Leben hat Kekulé sich mit chemischen Verbindungen beschäftigt und konnte daher mit seinen bisherigen Beobachtungen seine Träume wissenschaftlich überprüfen.
Durch Aufstieg in die Bundesliga
Im Normalfall bekommen wir neue Informationen nicht durch Magie. Die Menschen werden klüger durch wissenschaftliche Untersuchungen. Da sind die Beobachtung und die Erfahrung wichtig. Eine Hypothese, also eine Annahme, sieht zum Beispiel so aus: Man träumt von einer Schlange, die sich in den Schwanz beißt, und denkt, das könnte etwas mit der Struktur von Benzol zu tun haben. Oder: Ich fange mal beim Fußballverein vor Ort an und schaue, ob mir das gefällt.
Zweiter Schritt: Ich überprüfe die Annahme und fange an, zu rechnen und zu beobachten. Im Fußball: Freunde, auf die ich viel halte, finden den Verein ebenfalls gut. Manche Wissenschaftler und Mediziner sagen, dass Sport guttut und nicht nur Spaß macht. So langsam komme ich in die Regionalliga. Damit habe ich aus einer Hypothese eine bestätigte Theorie gemacht. Je mehr Technik ich zur Verfügung habe, umso stichhaltiger kann ich die Theorie begründen. Heißt: Je besser ich den Ball beherrsche, desto größer sind die Chancen, in der Champions League zu spielen.
Durch allgemeine Gesetze
Wird ein Gesetz entdeckt und wirkt es, wird es immer wahrscheinlicher, dass es immer und überall wirkt. Die Gesetze, die sich kurz nach dem Urknall herauskristallisiert haben, sind die gleichen, die für funktionierende Satelliten und Medizintechnik sorgen. Naturwissenschaftlichen Erkenntnissen haben es die Menschen zu verdanken, dass heute so viele Krankheiten wie noch nie geheilt werden können.
Wissen weniger Menschen darüber Bescheid, wie und warum Naturwissenschaft funktioniert, sind auch die Chancen auf Fortschritt und Heilung geringer. Durch Gesetze wird klar, was 5G-Funkmasten auslösen und was nicht. Was Kondensstreifen mit Chemie zu tun haben und was nicht. Und welche „Theorien“, die zurzeit vielfach im Umlauf sind, mit höherer Wahrscheinlichkeit zutreffen können und welche Unsinn sind.
Durch Bewährung
Theorien sind oft gut bestätigte Annahmen, denn sie wurden gut beobachtet und berechnet. Verschwörungen sind das nicht. Sie sind Behauptungen und als solche genauso in Ordnung wie ein Traum. Vor der Wissenschaft müssen sie sich allerdings bewähren. Oder ansonsten auf der riesigen Müllhalde der Hypothesen enden.
Originalbeitrag erschien auf idowa.de und in der Freistunde des Straubinger Tagblatts.