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Kick it like Beckham

… aber im Weltraum auf der Raumstation ISS. Würde ein Fußball, den die Forscher auf der ISS Richtung Erde kicken, auch dort ankommen? Orbitalmechanik ist manchmal verblüffend.

Forscher auf der Internationalen Raumstation ISS haben Sinn für Humor, das haben sie schon öfters bewiesen. Auch wollen sie Spaß haben, da sie schon sehr viel arbeiten. Wenn sie zum Ausgleich etwas kicken wollen, wäre es nicht das erste Mal, dass dabei eine Fensterscheibe kaputt geht und der Ball unerreichbar ist. Wenn ein Fußball auf der ISS durch ein Fenster fliegt, wohin fliegt er dann? Müsste ein Balljunge auf der ISS zur Erde und den Ball holen?

Theoretisch würde der Ball die Erde treffen

Die Internationale Raumstation (ISS) umkreist die Erde in einer Höhe von etwa 400 km mit einer Geschwindigkeit von etwa 7,66 Kilometer pro Sekunde, das sind etwa 27600 Kilometer pro Stunde.

Der brasilianische Fußballer Ronny erzielte im Jahre 2007 für seinen damaligen Verein Sporting Lissabon ein Freistoßtor mit der höchsten jemals gemessenen Geschwindigkeit von 210,9 Kilometer pro Stunde. Das hätte zur Folge, dass der Fußball leicht Richtung Erde fliegen würde, er nimmt eine tiefere Umlaufbahn ein als die Raumstation, und nimmt bei engerer Umlaufbahn wieder Geschwindigkeit auf. Die höhere Geschwindigkeit sorgt dafür, dass sich seine Umlaufbahn wieder erweitert. Im Ergebnis kann der Astronaut den Ball, den er Richtung Erde geschossen hat, vermutlich wieder auffangen. Damit der Ball stärker Richtung Erde fliegt, müsste er sich in der Geschwindigkeit der Erde angleichen, man könne den Ball also einfach rückwärts werfen. Vielleicht trudelt der Ball dann unterhalb der Raumstation unter denn 400 Kilometern ein, vielleicht bei 250 Kilometern über der Erde. Hier würde sich aber bereits die Atmosphäre auswirken, was dazu führt, dass der Ball nicht mehr ungehindert auf die Erde zufliegen wird. Spätestens ein paar Wochen später kann ihn der Astronaut vermutlich wieder auffangen.

Kontraintuitiv

Die Orbitalmechanik ist kontraintuitiv. Wenn der Fußball nach vorne gekickt wird wie in die gleiche Richtung, in die die ISS fliegt, erhöht sich die Umlaufbahn des Balles, jedoch seine Geschwindigkeit verringert sich. Wenn man nach hinten kickt, bekommt der Ball eine niedrigere Umlaufbahn und wird schneller. Damit aber der Ball, angenommen, er wäre unzerstörbar, auf der Erde aufschlagen würde, müsste man ihn rückwärts mit einer Geschwindigkeit von angenommen 7,66 km/s relativ zur ISS schießen. Dann hätte der Ball keine eigene Geschwindigkeit im Bezug zur Erde, würde der Schwerkraft folgen und Richtung Erde fliegen. Dazu müsste der Fußballspieler oder Astronaut den Ball auf 27600 Kilometer pro Stunde beschleunigen. Das schafft aber kein Fußballspieler, weder Ronny noch David Beckham.

Es ist also nicht möglich, einen Fußball von der Raumstation zur Erde zu schießen. Da spielt auch die Größe des Balles keine Rolle, ein Baseballspieler hat keine besseren Chancen als ein Fußballspieler. Wenn ein Sportler umgerechnet einen Ball mit zehn Meter pro Sekunde auf den Weg schicken will, aber etwa sieben Kilometer pro Sekunde nötig sind, hilft auch kein erweitertes Training.

Müllproblem im Orbit

Es bleibt ein Gedankenexperiment, auch deswegen, weil Baseballspieler oder Fußballprofis eher weniger im Orbit anzutreffen sind. Der österreichische Physiker Florian Aigner weist jedoch zu Recht darauf hin, dass diese Überlegungen das Problem des Weltraumschrotts im Orbit der Erde verdeutlichen. Die Vorstellung, der Müll würde irgendwann Richtung Erde stürzen und in der Atmosphäre verglühen, funktioniert nicht. Er müsste so stark abgebremst werden, dass er die Umlaufbahn Richtung Erde verlässt, dass es an physikalische Grenzen stößt.

Die Raumstation hat beispielsweise ihre Sonnenkollektoren umgebaut und ein Batteriepaket wurde überflüssig. Das Paket wurde abgeworfen und sollte in der Atmosphäre verglühen. Das waren 2,6 Tonnen Weltraumschrott, der im Jahr 2021 abgeworfen wurde. Seitdem kreiste er um die Erde. Letztlich verglühte ein großer Teil davon und der Rest landete nahe der Karibik im Atlantik, obwohl die Bildzeitung eine Gefahr für deutsche Großstädte prophezeit hatte.

Da ist es wohl besser, das Fußballspielen bei einem irdischen Vergnügen zu belassen.

Kurz und bündig

  • Die Raumstation fliegt mit 27600 Kilometern pro Stunde um die Erde
  • Wenn der beste Fußballspieler der Welt einen Ball mit 200 Kilometern pro Stunde Richtung Erde kickt, fällt das nicht ins Gewicht
  • Der Fußballspieler wird den Ball auf der ISS wieder auffangen können
  • das reale Problem dahinter ist der Müll im Orbit der Erde, der nicht einfach verglüht

Der Artikel erschien zunächst auf idowa.de