Welt&All

Licht ins Dunkel der Materie

Im dunklen Himmel sehen Astronomen so gut wie nichts. Und doch muss da etwas sein, das das Universum zusammenhält und unsere Existenz erklärt. Ein Tellerwäscher gibt einen wichtigen Hinweis. Ob darauf Verlass ist, wird sich erst noch herausstellen.

Die Aufnahme zeigt einen Ring Dunkler Materie in einem fünf Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxiehaufen. Die Verteilung der Dunklen Materie ist blau dargestellt. Sie wurde am Computer errechnet und über das „Hubble“-Foto gelegt. Die Aufnahme ist ein starker Beweis für die Existenz Dunkler Materie. Foto: Nasa

Astronomen schauen gerne da hin, wo es leuchtet. Dort gibt es etwas zu beobachten, zu messen, zu entdecken: Sterne, Sternenhaufen wie Galaxien oder leuchtende Nebel aus Gas. Da, wo es dunkel ist, gibt es nichts zu sehen. Trotzdem sind viele Astronomen überzeugt, dass da irgendetwas sein muss. Einen ähnlichen Fall hatten sie schon einmal.
Als Astronomen den Planeten Uranus beobachteten, konnten sie sich seine Bewegung rund um die Sonne nicht erklären. Wenn ein Planet um ein Objekt kreist, dann kann man das ziemlich exakt berechnen. Nur dieser Planet gehorchte nicht den Berechnungen. Ein französischer und ein englischer Forscher hatten unabhängig voneinander im Jahr 1845 die Idee, dass die Ursache für die Abweichungen ein weiterer Planet sein könnte. Und so wurde 1846 der Planet Neptun entdeckt.

Die große Frage: Was erklärt die Galaxie?

Mit der Dunklen Materie ist es fast genauso. Unser Sonnensystem ist ein kleiner Teil einer Galaxie, genannt die Milchstraße. In manch einer Galaxie kreisen über 100 000 Sonnensysteme um ein Zentrum herum. Je weiter sie davon entfernt sind, desto langsamer sollte ihre Geschwindigkeit sein. Nun ist es seltsamerweise so, dass die Sonnensysteme am Rande einer Galaxie viel zu schnell kreisen. Auch dafür sollte es einen Grund geben, denn im Universum geschieht nichts ohne Grund. Astronomen nehmen an: Dunkle Materie ist dafür verantwortlich. Nur: Sie kann nicht mit dem Teleskop gesehen werden. Sie strahlt kein Licht ab. Sie muss aber da sein, weil sonst einige Beobachtungen im Universum keinen Sinn ergeben.

Ohne Dunkle Materie wären wir vermutlich nicht da

Das, was wir im Universum sehen, ist vielleicht nur ein kleiner Bruchteil von dem, was tatsächlich existiert. Die Weltraumbehörde NASA geht von etwa vier Prozent aus. Der Rest ist etwas, von dem wir noch kaum etwas wissen. Naja, nicht ganz.
Immerhin wissen die Astronomen, was Dunkle Materie nicht ist: alles, was mit heller Materie zu tun hat, also Planeten, Sonnen, Atome, auch Zeitungspapier, Smartphones, Sneakers. Daher besteht Dunkle Materie aus anderen Teilchen als aus Atomen. Physiker forschen in Labors, was es mit der Natur der Dunklen Materie auf sich hat. Irgendwie sorgt Dunkle Materie dafür, dass alles, was wir kennen, überhaupt existiert – vom Urknall bis zu den Lebewesen auf unserem Planeten.
Dunkle Materie ist anziehend. Sie zieht nicht nur Felsbrocken an sich, sondern kann auch Lichtstrahlen anziehen und krümmen. Wenn ein Teleskop ein Foto von einer weit entfernten Galaxie macht, erscheint die Galaxie auf dem Foto am Rand verzerrt. Das Licht ist gekrümmt. Je stärker es gebogen ist, desto mehr Dunkle Materie existiert dort vermutlich. Dieses Verfahren geht auf den berühmten Albert Einstein zurück.
Dieses Mal kam der Anstoß allerdings von einem Tellerwäscher eines Restaurants namens Rudi Mandl, hobbymäßig auch Astronom. Er bat Einstein 1936, seine Idee, dass Dunkle Materie auch Lichtstrahlen krümmen könnte, zu berechnen und zu veröffentlichen. Einstein tat ihm den Gefallen und schrieb einen Aufsatz darüber. Hinterher sagte Einstein zu seinem Verleger: „Vielen Dank, dass sie diese kleine Veröffentlichung drucken, die Herr Mandl förmlich aus mir heraus gepresst hat. Sie hat nur wenig Wert, aber sie hat den armen Kerl glücklich gemacht.“ Heute ist diese Idee von Rudi Mandl das Standardverfahren, Dunkle Materie nachzuweisen.

Eine Galaxie, die sich ohne Dunkle Materie erklären lässt

Diese Methode war auch ziemlich verlässlich – bis vor Kurzem eine Galaxie entdeckt wurde, die sich auch ohne Dunkle Materie erklären ließ. Das macht das Ganze nicht einfacher. Die 65 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie mit dem anschaulichen Namen DF2 bewegt sich so, wie es Astronomen auch ohne Dunkle Materie berechnen würden. Warum verhalten sich nicht alle Galaxien so vorbildlich? Ist damit das Ende der Theorie von der Dunklen Materie eingeleitet? Noch gibt es keine verlässliche Antwort.
 

Dunkle Materie…

…heißt so, weil sie kein Licht abstrahlt und daher nicht „gesehen” werden kann.
…kann entdeckt werden, indem man Galaxien fotografiert und Verzerrungen berechnet.
…ist in der Theorie nötig, damit überhaupt „richtige“ Materie existiert.