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Der Urknall war nur ein Sektkorken

Hinter dem typischen „Plopp“ steckt eine komplizierte Physik. Diese verbindet den Champagner mit Trockeneis, Düsenjets und dem Urknall.


In der Welt der Kulinarik und Gastronomie ist der Knall eines Sektkorkens ein Symbol für Feierlichkeit, Freude und Genuss. Dieser kleine Plopp ist mehr als nur ein akustisches Signal – es ist eine kulturelle Erfahrung, die tiefe Emotionen hervorruft.

Wenn der Korken knallt, ist meist das Buffet eröffnet, der langweilige Redeteil vorbei und es kann endlich feucht fröhlich werden. Wenn wir den Korken knallen lassen, senden wir ein Signal an die Welt um uns, dass wir etwas zu feiern haben – es ist eine Geste der Zugehörigkeit und des Mitfühlens mit anderen. Es erinnert uns an die Bedeutung von Gemeinschaft und Freude, an Momenten des Genusses und Zugehörigkeit zu anderen.

Der Knall ist auch ein Merkmal für die Qualität des Sekts. Die Druckempfindlichkeit der Korken erlaubt es den Gastgebern, schnell zu bestimmen, ob der Sekt frisch ist oder nicht. Wenn der Schampus frisch ist, knallt der Korken lauter. Das Kohlendioxid ist noch nicht verbraucht und die Prickelbrause hat noch vollen Geschmack.

Wer weiß, vielleicht waren beim Urknall ähnliche Zustände. Nachdem Gott einen Plan vom Universum hatte, den er gut fand, so dass es besser nicht mehr gehen konnte, fand er einen Grund zum Feiern und griff zur Champagnerflasche. Der Urknall ist vielleicht nur der Widerhall von einem Moment, in dem auch göttliche Wesen etwas zu feiern hatten.

Sowohl Urknall als auch der Knall beim Öffnen einer Sektflasche sind starke energiereiche Prozesse, die mit sehr schnellen Volumenbewegungen einhergehen. Beide erzeugen Schallwellen, die sich durch das umgebende Medium ausbreiten. Allerdings war der Urknall nicht hörbar, da es damals noch keine Luft gab, die den Schall übertragen konnte.

Im antiken Rom gab es eigens dafür Bacchus, den Gott des Weines, in Griechenland war es Dionysos. Neben der Weinzuständigkeit war er auch der Gott der Trauben, der Freue, der Ekstase und – des Wahnsinns. Anders als beim Sekt ist ein „Plopp“ beim Öffnen einer Weinflasche eher ein negatives Signal, aber die Weine von damals können auch kaum verglichen werden mit den Weinen von heute.

Der Korken knallt nicht

Doch in Wirklichkeit ist es gar nicht der Korken, der knallt. Das hat nun ein Forscherteam der Technischen Universität Wien am Computer simulieren können.

Laut dieser Studie beginnt sich das komprimierte Gas in der Flasche zwischen Korken und Sektoberfläche auszudehnen und versucht, seitlich am Korken vorbei zu entweichen, wenn der Sektkorken gelockert wird. Noch bremst die Reibung des Korkens am Flaschenhals dies jedoch ab. Wenn sich der Korken gelöst hat, passieren zwei Dinge: Zum einen dehnt sich der Korken abrupt aus und erzeugt dadurch eine Druckwelle. Zum anderen kommt es im Flaschenhals zu schnellen Gasströmen, die die Schallmauer durchbrechen und sogar eine winzige Mach-Scheibe erzeugen, wie man sie von Düsenjets kennt.

Die Schallmauer ist die Geschwindigkeit, bei der sich Schallwellen ausbreiten. Wenn ein Objekt diese Geschwindigkeit erreicht, wird es von einer Schockwelle umgeben. Die Mach-Scheibe wie bei einem Düsenjet ist eine Art von Schockwelle, die durch eine schnelle Bewegung eines Objekts durch ein Medium erzeugt wird. In diesem Fall ist das Medium das Kohlendioxidgas, das aus der Flasche strömt.

Ein anderes Phänomen ist der Übergang zwischen den Zuständen Gas, Flüssigkeit und Gefrorenem. Ein Teil des Kohlendioxids in der Schampusflasche wird schockgefrostet und erzeugt den Sekt-“Rauch” aus Trockeneiskristallen. Der Studie zufolge sollen die Kristalle kurzfristig nahezu -130 Grad erreichen. Ein anderer Teil davon verdampft. Die Farbe des Rauchs hängt von der Sekttemperatur ab. Je kälter der Sekt, desto weißer der Rauch.

Forschungsergebnisse werden hinterfragt

Der Twitter-Nutzer @florianaig packt komplizierte Studienergebnisse in kurze Twitter-Threads. Hier kommen – selten – Diskussionen zustande. Denen zufolge brauche es gar nicht eine elitäre Champagnerflasche, bei einem Flensburger Pils mit „Plopp“-Verschluss wäre ähnliches zu beobachten. Das Forscherteam wird teils beneidet, da die Untersuchungen an den verschiedenen Flaschen vermutlich zu einer angenehmen Labor-Atmosphäre geführt hätten. Auch werde verwiesen auf Grundregeln im Labor, denn „das Öffnen von Druckbehältern mit mehrphasigem Ausströmverhalten ist nur in Gegenwart von Assistenten gestattet!“ Auch bleibt die Frage offen, ob die gleichen physikalischen Phänomene – Durchbruch der Schallmauer, Bildung von Trockeneiskristallen – auftreten würden, wenn die Flasche mit einem Säbel geöffnet würde. Aber wer weiß, wie der Urknall herbeigeführt wurde.

Kurz und bündig

  • Der Knall eines Sektkorkens ist in vielen Kulturen mit positiven Emotionen verbunden
  • Eine Computersimulation der TU Wien zeigt die Physik dahinter
  • Das Gas erreicht Überschallgeschwindigkeit und knallt wie beim Düsenjet
  • Der Rauch besteht aus Trockeneiskristallen. Sie entstehen, wenn sich das Gas ausdehnt, abkühlt und gefriert
  • Flens kann das auch

Der Artikel erschien zunächst auf idowa.de