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Bestens angezogen

Es ziemt sich, den Anlässen entsprechend gekleidet zu sein. Das gilt auch im Weltraum. Ein Astronaut beschreibt das Anlegen eines Raumanzugs wie einen Geburtsvorgang. Nur umgekehrt.

„Der Einstieg ist wie eine Geburt im Rückwärtsgang, so eng ist es. … Trotzdem lassen sich erstaunliche Dinge tun, es dauert nur alles fünfmal so lange.“ So beschreibt der Astronaut Matthias Maurer sein Gefühl in einem Raumanzug. Er ist kürzlich von der Raumstation ISS zurückgekehrt und spricht in einem Interview für Spektrum.de über das Überleben im Weltall.

Ab dem Jahr 2025 sollen wieder Menschen auf dem Mond spazieren gehen. Hier hat die Raumfahrtbehörde NASA Aufträge im Wert von mehreren Milliarden Dollar allein für die Raumanzüge vergeben. Das soll einen deutlichen Fortschritt geben gegenüber dem Anzug, mit dem Astronauten noch in den 1960er Jahren auf dem Mond herumgelaufen sind. Ähnlich wie bei manchen Abendkleidern hatte dieser einen Reisverschluss hinten, durch den man einsteigen konnte. Der Mondstaub ist allerdings sehr scharfkantig. „Auf dem Mond braucht ein Raumanzug verschiedene schnittfeste Gewebelagen, damit keine Luft entweicht, und er braucht eine Thermoregulierung. Das sind bis zu sieben Schichten“, deswegen sind sie auch so teuer, sagt Maurer.

Ein Anzug wie ein Raumschiff

Sehen die Raumanzüge auf dem Mond nun nicht gerade aus wie eine grazile Dame im Abendkleid, verhält es sich mit den Raumanzügen auf der ISS noch viel steifer. Sie sind nicht gedacht, um sich viel zu bewegen, sondern den bestmöglichen Schutz im freien Schweben zu garantieren. „Wer einen Raumanzug entwickeln will, kann fast schon ein Raumschiff bauen, so viel Technologie steckt da drin,“ sagt Matthias Maurer. Entsprechend „sind auch die Werkzeuge für Grobianhände ausgelegt“.

Russische Kosmonauten tragen Anzüge, die weniger bewegliche Teile haben, um die Atemluft aufzubereiten, und sind daher etwas robuster. Wenn sich weniger bewegt, kann weniger kaputt gehen. Fast wie bei der Arbeit. Auch haben sie im Anzug einen höheren Innendruck als die Amerikaner. Diese brauchen für einen Ausstieg in den Weltraum vier Stunden, bis sie sich an den niedrigen Druck im Anzug gewöhnt haben. Bei den russischen Anzügen reicht eine halbe Stunde.

Die schicken Anzüge, wie sie bei den Missionen von SpaceX, dem Raumfahrtunternehmen von Elon Musk, getragen werden, sind streng genommen gar keine Raumanzüge. Sie sind Druckanzüge, die dafür sorgen, dass die Person im Raumschiff überlebt, wenn dieses ein Loch hat. Draußen im Weltraum fehlen ihnen diverse Schutzschichten und Technikbauteile.

Doch die wichtigste Frage lautet: Wie kratzen sich Astronauten an der Nase? Sobald der Helm sitzt, denkt sich der Astronaut: „Ach, hätte ich mich doch noch mal gekratzt.“ Nach dem Einrasten gibt es keine Möglichkeit mehr, sich ins Gesicht zu fassen. Jedoch kann er seinen Kopf ein wenig drehen. Mit etwas Geschick erreicht er ein Schaumstoffpolster neben dem Visier, gegen das er seine Nase drücken kann. Das muss reichen.

Machos bei der NASA

Massangefertigte Anzüge gibt es auch im Weltraum. Den Torso gibt es in M, L und XL. Maurer selbst ist mit vielen Kameras und Lasern wie in einer Duschkabine für seinen Anzug vermessen worden. Die Größe S ist nie zertifiziert worden, weil ja nur die großen starken Jungs Astronaut werden sollen. Frauen müssen daher in einen M-Anzug, der zu groß ist. „Respekt für die Frauen, die das trotzdem und dazu noch sehr erfolgreich machen. Beim nächsten Anzug darf das nicht mehr vorkommen, das weiß auch die NASA. Deshalb wird man einen passenden Anzug zur Verfügung stellen, der für 95 Prozent der Astronauten-Population geeignet ist,“ sagt Maurer.

Auch im Anzug anziehen sind die russischen Anzüge eine Idee weiter. Zur Not können die Kosmonauten ihren Anzug auch alleine anziehen. Rucksack wegklappen, einsteigen und mit Hilfe von zwei Hebeln vorne alles zuklappen und verriegeln. Bei den amerikanischen ist eine weitere Person schon hilfreich.

Anzüge für kommende Missionen

Das Unternehmen Axiom Space wurde von der NASA beauftragt, den nächsten Raumanzug zu entwickeln. Das verschlingt Milliarden. Viel ist noch nicht bekannt, aber er wird vermutlich wie der russische Anzug ebenfalls eine Rucksackklappe haben, über die die Astronauten einsteigen werden. Hoffentlich auch einen Schwamm, um seine juckende Nase zu reiben.

Kurz und bündig

  • moderne Raumanzüge sind fast schon kleine Raumschiffe
  • Neben millionenschwerer Technik ist das nützlichste Utensil ein kleiner Schwamm. Zum Nasereiben
  • Russen haben im Anzugbau ihre Nase vorne
  • künftige Raumanzüge baut Axiom Space – auch mit Rucksackklappe zum Einstieg

Der Artikel erschien zunächst auf idowa.de