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Vera Rubin – Die nüchterne Pionierin mit Charme, Charakter und verändernder Wirkung

Vera Rubin bewies in den 1970er-Jahren, dass Galaxien mehr Masse enthalten, als sichtbar – Dunkle Materie. Gleichzeitig riss sie mit Humor und Konsequenz Barrieren in der Wissenschaft nieder. Ihr Lebenswerk umfasst revolutionäre Erkenntnisse, Gleichstellungsengagement – und legendären Witz.

Geboren 1928 in Philadelphia, zog Vera Rubin als Kind nach Washington, D.C. Ihr Vater baute ihr ein einfaches Papp-Teleskop. Sie sagte später:

„By about age 12, I would prefer to stay up and watch the stars than go to sleep.“
„Mit etwa zwölf Jahren blieb ich lieber wach, um die Sterne zu beobachten, als schlafen zu gehen.“
Das Universum war für sie spannender als jede Tageswelt.

Studium als Frau im Männeruniversum

Als Vera sich 1948 an der Princeton University für Astronomie bewerben wollte, erhielt sie eine klare Absage – Frauen waren nicht zugelassen. Sie studierte stattdessen in Vassar, Cornell und Georgetown. Auf dem Campus durfte sie ihren Betreuer nicht einmal in dessen Büro treffen – Frauen war der Zutritt verboten.

Rätsel im Orbit – und das große Staunen

In den 1970er-Jahren maß Rubin die Rotationsgeschwindigkeit von Sternen in Galaxien und stellte fest: Am Rand bewegen sich Sterne so schnell wie im Zentrum – eigentlich unmöglich. Sie schrieb 1980 im Astrophysical Journal:

„The conclusion is inescapable that non‑luminous matter exists beyond the optical galaxy.“
„Die Schlussfolgerung ist unausweichlich, dass es nicht-leuchtende Materie jenseits der optischen Galaxie gibt.“
Damit legte sie den Grundstein für das Konzept der Dunklen Materie.

Toiletten-Humor und Durchsetzungskraft

1965 wollte Rubin erstmals am Palomar-Observatorium beobachten. Dort hieß es: keine Damentoilette, keine Frauen. Rubin schnitt ein Papierkleid aus, klebte es an das Männchen-Schild und sagte trocken:

„There you go; now you have a ladies’ room.“
„Da, jetzt habt ihr ein Damenklo.“
Kurz darauf erhielt sie als erste Frau offiziell Beobachtungszeit – und das Observatorium bekam ein echtes Damen-WC.

„Sind Sie die Sekretärin?“ – Alltagssexismus mit einer genialen Antwort gekontert

Rubin erzählte später gern von einer Situation, die für viele Frauen in der Wissenschaft sinnbildlich war. Bei einer Fachkonferenz trat ein männlicher Kollege oder Journalist an sie heran und fragte:

„Sind Sie die Sekretärin?“

Rubin lächelte – und antwortete ruhig:

„No. I am the astronomer. In fact, I’m the one you’re all here to listen to.“
„Nein. Ich bin die Astronomin. Genau genommen bin ich diejenige, wegen der Sie alle hier sind.“

Diese Anekdote wurde in Fachkreisen und später in der Presse oft erzählt. Sie zeigt Rubins Haltung: selbstbewusst, aber nie bitter oder aggressiv. Statt sich über Vorurteile zu ärgern, konterte sie mit Humor und Fakten – und gewann damit nicht nur Respekt, sondern auch Sympathie.

Rubin sagte einmal über solche Momente sinngemäß: Es geht nicht darum, die Menschen niederzumachen, die einem solche Fragen stellen, sondern darum, ihnen zu zeigen, wie vielfältig und offen Wissenschaft sein kann.

Botschaft und Haltung

Rubin war nicht nur Forscherin, sondern auch Vorbild. Sie sagte:

„There is no problem in science that can be solved by a man that cannot be solved by a woman.“
„Es gibt kein Problem in der Wissenschaft, das ein Mann lösen kann, das nicht auch eine Frau lösen könnte.“

1996 ermutigte sie Studierende in Berkeley:

„Science is competitive, aggressive, demanding… It is also imaginative, inspiring, uplifting. You can do it, too.“
„Wissenschaft ist wettbewerbsorientiert, aggressiv, fordernd … Sie ist aber auch fantasievoll, inspirierend, erhebend. Ihr könnt das auch.“

Aktiv gegen Ungleichheit

Rubin rief 1965 einen Ausschuss zur Förderung von Frauen in der Astronomie ins Leben. Kollegin Alycia Weinberger erinnerte sich:

„If she saw a conference speaker list with few or no women, she called the organizers and said: you have a problem.“
„Wenn sie bei einer Konferenz kaum oder keine Frauen als Vortragende sah, rief sie die Organisatoren an und sagte: Ihr habt ein Problem.“

Rubin erhielt u. a. die National Medal of Science (1993) und als erste Frau seit 1828 die Goldmedaille der Royal Astronomical Society (1996). Der Nobelpreis blieb ihr verwehrt – viele sehen das bis heute als großes Versäumnis.

Rubin Observatory: Ein Vermächtnis

Seit 2020 trägt das größte US-Himmelsbeobachtungsprojekt ihren Namen: NSF Vera C. Rubin Observatory in Chile. Es scannt täglich den Himmel und entdeckte schon in den ersten Stunden über 2 100 Asteroiden. Rubin selbst hätte gesagt:

„The real prize is finding something new out there.“
„Der wahre Preis ist, etwas Neues da draußen zu finden.“

Kurzinfo: Vera Rubin

•   1928–2016, US-Astronomin, Pionierin der Dunklen Materie
•   Erste Frau am Palomar-Teleskop – dank Papierrock-Aktion
•   Zahlreiche Ehrungen, starkes Engagement für Frauen in der Wissenschaft
•   Ihr Name lebt im Rubin Observatory weiter – und in jeder Diskussion über Mut und Neugier