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Chatbots und ihre Liebe zum Kunden

Chatbots können mehr als FAQs vorbeten. Sie haben Humor, fluchen, sind gescheit und richtig gute Zuhörer.

Am besten können sie verkaufen.

[Beitrag erstmals in abgewandelter Form erschienen auf idowapro.de/Blog]

Kennen Sie den Turing-Test? Alan Turing, ein englischer Mathematiker und Logiker Mitte des 20. Jahrhunderts, setzte Versuchspersonen an zwei verschiedene Computer und bat sie zu entscheiden, ob sie gerade mit einem Menschen oder einer Maschine chatteten. An einem antwortete eine reale Person, an dem anderen ein Programm. Die Testergebnisse waren durchaus nicht so eindeutig, wie die Computerentwicklung in den Kinderschuhen der 50er Jahre vermuten ließe. Heute sind die Computer sehr viel kleiner geworden, Sie können sie mit einer Hand halten. Die Kommunikationsprogramme werden nun Chatbots genannt. Können Sie einen Bot von einer Person unterscheiden?

WAS SIND CHATBOTS?

Chatbots sind Programme, die automatisiert mit dem Kunden kommunizieren können, sie können einfache Aufgaben ausführen, Fragen beantworten oder Produkte bestellen. Als Schnittstelle zwischen Personen und Dienstleistungen dienen sie als Marketing-Instrument. Sie interagieren mit dem Kunden, merken sich alles, was Sie von sich preisgeben und können Sie ebenfalls beim nächsten Mal wiedererkennen. So lernen sie permanent dazu und tragen zu einer personalisierten Kunden-Erfahrung bei. Ein Bot ist quasi ein Ansprechpartner, der Ihnen unglaublich gut zuhören kann. Mit einem Mammut-Gedächtnis. Das ist ein gewaltiger Vorteil gegenüber Portalen, die Personen behandeln, als hätten sie alle die gleichen Bedürfnisse. Ein Bot kann auf jeden User persönlich eingehen.

Wir unterscheiden zwei Arten von Bots:

  • Textbasiert: die Bots kommunizieren mit dem Nutzer per Textein- und ausgabe
  • Spracherkennung: Bots erkennen gesprochene Befehle und Anfragen des Nutzers, werten sie aus und antworten per Audio-Ausgabe

WIE FUNKTIONIEREN CHATBOTS?

Wir könnten auch fragen: Wo leben Chatbots? Im Idealfall agieren sie wie eine personale Intelligenz, allerdings künstlich, was aber so gut, wie es geht, nicht erkennbar sein sollte. Chatbots sind darauf programmiert, zu lernen, und dafür können sie auch an umfangreiche Datenbanken angebunden werden mit Infos, die sie in die Kommunikation miteinfließen lassen können: Wetter, News, Öffnungszeiten etc. Daher leben sie bevorzugt auf den Servern von Unternehmen, sind aber auch in den Strukturen der Messenger Dienste vorzufinden. Sie ordern Flugtickets, geben Essensbestellungen ab oder empfehlen Restaurants. Prinzipiell ist es weniger relevant, ob sie den Bot (oder die Botin?) Siri von Apple, Cortana von Microsoft oder Alexa von Amazon befragen, die schon mit Betriebssystemen, Apps oder Geräten mitgeliefert werden.

Was Messaging Apps angeht: Sie haben im Bezug auf die Nutzungsdauer im mobilen Sektor bereits die Sozialen Netzwerke überholt. Und damit ist das Smartphone wieder zu seiner ursprünglichen Wesensbestimmung zurückgekehrt: der Kommunikation. Ein Chatbot kann genau dort aktiv werden, wo der Nutzer mittlerweile die meiste Zeit verbringt – vermutlich die größte Marketingchance in den nächsten Jahren und Jahrzehnten.

WELCHE CHATBOTS GIBT ES?

Auf Facebook können Bots bereits über Nachrichten, Wetter, Kochrezepte, Jobsuche, Quizfragen usw. Infos liefern. Der Wetter-Bot namens Poncho klärt Fragen zum Wetter in der jeweiligen Stadt und liefert Updates, dem Rezepte-Bot Dinner Ideas erzählen Sie einfach, was Sie noch im Kühlschrank haben und er liefert Ihnen dafür ein paar Rezeptideen. Kochen schafft er dabei noch nicht.

Dabei müssen Sie gar nicht auf vorprogrammierte Bots zurückgreifen. Für den Facebook Messenger gibt es beispielsweise die Software Chatfuel, die Ihnen das Coding für Ihren eigenen Chatbot abnehmen kann.

Größere Firmen mit viel Kapital und umfangreichen Entwicklerabteilungen programmieren ihre eigenen Firmenbots – allerdings noch teils mit Kinderkrankheiten: Der Bot der Sparkasse bekommt beim Geldeintreiben (wobei er sogar Fluchen kann) noch einen Anruf von seiner Mutter, der Bot Mildred der Lufthansa vergisst beim Buchen Ihres Fluges noch gerne Ihr Reiseziel und zwingt sie zu genau einer Woche Aufenthalt, der Jäm-Bot von Jägermeister verwandelt Ihre Einladung zum Party-Machen in ein Rap-Video. Es wird deutlich, dass Bots eine Persönlichkeit im Namen einer Marke transportieren sollen.

DREI AUSGEWÄHLTE PERSÖNLICHKEITEN: SIRI, CORTANA UND ALEXA

Siri ist ein Chatbot von Apple, der Sprache erkennen, verarbeiten und per Audio-Ausgabe antworten kann. Mit der Fähigkeit, Apps zu öffnen, Wetterauskünfte zu geben, Nachrichten zu schreiben, Fahrten zu buchen, Suchen auszuführen etc. hat sie schon den Wert einer persönlichen Assistentin; oder eines Assistenten, je nach Stimmenwahl.

Cortanas Grundfunktionen ähneln der von Siri weitestgehend. Als sprachbezogener Chatbot wird sie von Microsoft mit Inhalten gefüttert und trainiert. Ob sich Siri und Cortana im direkten Aufeinandertreffen so konkurrenzhaft verhalten würden wie Apple und Microsoft, sei einmal dahingestellt.

Alexa ist mit ähnlichen Funktionen ausgestattet wie Siri und Cortana und hat den Anspruch einer persönlichen digitalen Assistentin, die einem das Leben leichter machen soll. Im Gegensatz zu ihren beiden Mitkonkurrentinnen ist sie nicht auf eine Computer- oder Smartphoneumgebung angewiesen, sondern kann von Amazon als eigenständiger Lautsprecher wie dem Echo oder dem Echo Dot mit Wlan-Anbindung aktiv werden. Das betrifft auch Funktionen Ihres Smart-Homes, also Licht, Temperatur, Sound und weiteres. Nicht ohne anekdotenhafte Pannen:

Der Moderator Jim Patton erzählte in CW6, einer Newsshow aus San Diego, von einem Kind, das über Alexa irrtümlich ein Puppenhaus und kiloweise Kekse bestellte. Jim zitierte das Kind und damit den Alexa-Befehl wörtlich. Alle Haushalte, die selbst mit Alexa ausgestattet waren und der Newssendung zuhörten, nahmen den Befehl auf und statteten sich selbst mit Puppenhäusern und Massen von Keksen aus. Die Besitzer konnten allerdings die Bestätigung des Kaufs verweigern.

Befehle an Chatbots, die als Werbung über den TV laufen, sind daher mit Vorsicht einzusetzen. Nicht dass es Ihnen ergeht wie sehr, sehr vielen Superbowl-Anhängern, als Google seine Werbung für deren eigenes Alexa-Äquivalent Google Home Box in der Spielpause ausstrahlte und stolz die verschiedenen Befehle über die Millionen Bildschirme präsentierten. Manche Auswirkungen wurden getwittert: “That Google Home Super Bowl ad made my Home explode”.

NUTZEN VON BOTS FÜR UNTERNEHMEN UND KUNDEN

Wenn die verschiedene Kriterien beachtet und durchdacht werden, werden Chatbots zu einem machtvollen Instrument für Unternehmen. Ähnlich zu einer FAQ-Sammlung können Bots Kundenanfragen beantworten – ohne Zeitverzögerung, schnell und direkt. Der Kunde will heute genau das, was er braucht und das sofort. Der Bot kann als Kanalisator von Anfragen dienen oder Feedback einholen, ohne dadurch emotional beeinträchtigt zu sein.

Durch die Anbindung an eine Datenbank und die Fähigkeit, aus früheren Konversationen zu lernen, kann der Bot das Suchfeld ersetzen und den Kunden in einfachen Fragen nach Auswahl und Eigenschaften von Produkten sofort weiterhelfen. Durch die Implementierung in gewohnte Messaging-Umgebungen müssen die Kunden ihr Chat-Umfeld nicht mehr verlassen. Der Kontakt mit einem Unternehmen wird sofort hergestellt (die Sekretärin am Empfang wird zu einem “Empfangsbot”), die personalisierte Informierung und Beratung kann sofort starten.

Nachfragen zu Produkten werden erhöht und sofort in ein Beratungs- und Verkaufsgespräch geleitet. Die Kaufabwicklung erledigt der Bot umgehend, insbesondere wenn Rechnungs- und Versanddaten bereits hinterlegt worden sind. Auch hier ist es entscheidend, dass der Kunde das Gefühl hat, bei dem Bot, oder besser der Persönlichkeit hinter dem Bot, gut aufgehoben zu sein. Andernfalls schaut er sich woanders um.

PERSONALITY DESIGN

In einem vorigen Beitrag haben wir uns mit Corporate Design auseinander gesetzt. Das Design bei einem Chatbot bietet dagegen weniger visuelle Möglichkeiten. In einem Chat verbleibt höchstens das Profilbild des Gegenübers, im reduzierten Falle nur noch eine Textzeile. Über diese Textzeile soll nach Marketing-Maßstäben eine User-Experience stattfinden, eine persönliche Erfahrung. Der Bot braucht Persönlichkeit. Und das weiterhin auf Textzeilenbasis.

Charakter-Design ist nichts Neues. Die Profis finden sich in Theatern, bei Drehbuchautoren oder in den Disney- und Pixar-Studios beispielsweise. Sie verfahren nach ähnlichen Prinzipien, die nun auch das Chatbot-Personality-Design prägen können. Der Tätigkeitsbereich nennt sich auch AI Interaction Design Management. Ein “Artificial Intelligence Interaction Design Manager” gestaltet Dialoge auf Textzeilenbasis und entscheidet darüber, wie der Charakter auszusehen hat: Welche Werte werden vermittelt, gibt es ein Humor-Setting, soll es menschliche Eigenschaften geben wie (grammatikalische) Fehlbarkeit oder Emotionalität, wie geht der Bot mit Unhöflichkeiten um, welche Sprache und Anrede wird verwendet etc. Und ganz wichtig: Wo sind die Grenzen des Bots und wie kann der Mensch übernehmen, damit der Kunde nicht abspringt? Die leidliche Erfahrung automatisierter Telefonstimmen kennt jeder.

Die technische Umsetzung einer Dialog-Situation ist nicht ganz trivial. Ähnlich wie Google in den letzten Jahren gelernt hat, das Web nicht nur nach den exakten Suchbegriffen zu crawlen, sondern bereits ähnliche Begriffe erkennen kann (semantische Suchergebnisse), kann ein Bot bereits Fragen nach Textmustern durchforsten und verschiedene Actions auslösen, die über das reine Frage-Antwort-Spiel einer FAQ hinausgehen.

Die technischen Grenzen werden jedoch permanent verschoben, so dass die Lernfähigkeit des Bots rasant zunehmen wird – der Dialog wird persönlicher.

FAZIT

Firmen sollten sich die Zielgruppe und den Einsatzzweck ihres Chatbots genau überlegen und welche Tonalität der Dialog anschlagen soll. Spass macht ein Bot erst, wenn er sich etwas menschlich gibt, Ironie beherrscht, selbstkritisch mit eigenen Fehlern umgeht, eine positive Mimik ausstrahlt. Schlecht ist eine ungenaue Funktionsweise des Bots.

Was den derzeitigen Bots fehlt, ist ein Gefühl des menschlichen Gegenübers, ein flexibler Dialog. Die Interaktionsmöglichkeiten sind nur rudimentär, allerdings bei kleinen festgelegten Aufgaben auch verzichtbar. Seine Aufgabe ist es, den Alltag ein stückweit bequemer zu machen. Der Bot muss auf zentrale Erwartungen hin getrimmt werden.

Ein Bot ist eine gut umsetzbare Möglichkeit, den Trend des Mobile Marketing und des Mobile Messaging für den Kunden und damit für das eigene Unternehmen zu nutzen und mitzugestalten. Sie erreichen sehr viele Personen gleichzeitig. Messaging als Urform mobiler Kommunikation verzeichnet mittlerweile über 1 Milliarde Nutzer. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2020 etwa über 85% aller Kundenbeziehungen durch Künstliche Intelligenz gestaltet sein wird.

Die technische Entwicklung lässt sich derzeit eher als Evolution beschreiben statt als Revolution. Der Mensch wird als Backup hinter der Maschine noch länger notwendig sein. Die Menschen von idowapro stellen sich gerne für Beratung und Entwicklung bereit.

[Beitrag erstmals in abgewandelter Form erschienen auf idowapro.de/Blog]

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